Helmut Grasser |
Geb. 1961 in Klagenfurt. 1989 Gründung der Filmproduktionsgesellschaft Allegro Film, die Grasser bis heute leitet und die bisher rund 30 Filme herausgebracht hat.
1993 Regie bei „Die Wahlkämpfer“ (Prix Europa). Größte Erfolge als Produzent: „Hundstage“, „We Feed the World“ (2005), „In 3 Tagen bist du tot 1/2“, „Let’s Make Money“ (2008), aktueller Kino-Hit: "Am Anfang war das Licht". Gründungsmitglied der Akademie des Österreichischen Films.
Interview mit Helmut Grasser (geführt von Katrin Kores):
Sie sind gebürtiger Klagenfurter, sind aber nach Wien gegangen. Warum?
Erstens, weil mir Klagenfurt zu eng und zu klein war. Zweitens, weil ich relativ bald beschlossen habe, dass ich Film machen möchte und das geht von Klagenfurt aus nicht.
Der Kärntner Filmschaffende Klaus Graf sagt, man könne Filme überall machen, man muss sich eben Infrastruktur holen. Ist das in Wien leichter oder ist Kärnten teurer?
Nein, teurer ist es sicher nicht als Wien. Es ist leichter in Wien Regisseure, Autoren etc. zu treffen, weil einfach viele dort leben. Es ist ein kürzerer Weg zu Förderern und Fernsehstationen. Logistisch und wegen Netzwerken ist es besser. Ich sage ja gar nicht, dass es unmöglich ist, dass man das hier machen kann, aber es ist einfach viel leichter von dort ausgehend.
Kärnten ist also einfach mit mehr Aufwand verbunden. Man muss mehr fahren.
Genau. Hier gibt es nichts, außer Motive vielleicht – Locations, wo man drehen kann. Aber als Produzent muss man Projekte entwickeln und auch Geld auftreiben. Mit den entwickelten Projekten, da muss man nach Wien.
Können Sie sich eine Rückkehr nach Kärnten vorstellen? Wollen Sie das überhaupt?
Vielleicht privat, aber nicht beruflich.
Also beruflich ist Kärnten für Sie nicht interessant?
Also einzelne Projekte würde ich schon gerne hier drehen. Ich habe ja über 50 Filme gemacht, das ist ja nicht gerade wenig und ich habe keinen einzigen davon in Kärnten gedreht. Zumindest keinen Spielfilm.
Warum?
Das hängt damit zusammen, dass es in anderen Bundesländern einfach mehr Anreizsysteme gibt. In Kärnten gibt es ja überhaupt nichts. Jetzt muss man etwas grundsätzlich verstehen: Wenn ich mit dem Team, das sind 30 bis 40 Leute mit den Schauspielern, aus Wien hinausgehe, dann habe ich als Produzent Mehrkosten von ca. 150.000 Euro pro Film. Und das und einiges mehr setzen wir in der Gegend, in der wir dann drehen, um.
Also es ist ein wirtschaftlicher Nutzen da, wenn ein Film in Kärnten gedreht wird?
Natürlich. Allein dadurch, dass das Filmteam anwesend ist, profitieren Hotels, Gastronomie und vielleicht diverse Zulieferer wie Tischlereibetriebe etc. Gerade wenn man Bauten hat, ist das gar nicht so ohne, was da ausgegeben wird. Grundsätzlich ist das ein Wirtschaftsfaktor. Es gibt zwischen den Regionen einen Wettbewerb – jeder will Filmdreharbeiten haben. Das ist in ganz Europa so. Film-Commissions schießen ja nur so aus dem Boden, weil viele Lokalpolitiker erkannt haben, dass es ein Wirtschaftsfaktor ist. Wenn ein Filmteam da ist, wird viel Geld ausgegeben in der Gegend. Dazu kommt noch, dass ein Film auch einen Werbeeffekt für die Region hat. Das ist zum Teil viel effektiver und effizienter als das, was die Fremdenverkehrswerbung machen kann. Wenn ich in der Gegend um den Wörthersee eine zeitgemäße Serie spielen lasse, dann ist das von unschätzbarem Werbewert. Soviele Spots kann man gar nicht schalten, für das, was man so gratis bekommt. Aber klar ist, dass die anderen Bundesländer Kärnten komplett den Rang abgelaufen haben. Weil überall gibt es diese Anreizsysteme.
Hat es das in Kärnten nicht schon einmal gegeben?
Es hat in Kärnten einmal eine Filmförderung gegeben mit einem Schauspieler, der das geleitet hat. Das war immer an der Grenze zum Skandal, weil er bei den Filmprojekten, die hierher gekommen sind, versucht hat, selber mitzuspielen. Er hat sich mehr oder weniger selbst besetzt. Das war eine halbkorrupte Angelegenheit. Man braucht ein transparentes System, wo die, die das Geld vergeben, nicht selber Profiteure sind. Das ist das Wesentlichste. Aber es gibt ja Vorbilder. Es ist nicht so schwierig, so etwas zu machen.
Welche Gründe hat es ihrer Meinung nach, dass es in Kärnten keine Förderung gibt?
Das muss an der hiesigen Politik liegen. Anders kann ich mir das nicht erklären. Verstehen kann ich es ja nicht wirklich. Kärnten ist vielleicht das Bundesland, das die abwechslungsreichste Landschaft hat, das am meisten bieten könnte – an natürlichen Locations. Tirol ist da ein Vorbild – mit relativ wenig Geld bietet man dort ein Locationsservice zusätzlich an. Das ist z.B. sehr wesentlich für größere ausländische Firmen, die dann kommen. Sie können sagen, was sie suchen, kommen her und dann werden ihnen Vorschläge gemacht.
Was braucht man also?
Zuerst einmal das Grundmotiv: Wo wird überhaupt gedreht – zum Beispiel im Mölltal, in Heiligenblut und am Großglockner. Und wenn sich die Crew entschieden hat, dort zu drehen, werden natürlich auch heimische Handwerker zum Zug kommen.
Ein in Kärnten gedrehter Film hat also nicht nur einen enormen Werbewert, sondern ist auch dadurch ein Wirtschaftsfaktor, weil ein Tischler gebraucht wird, ein Cateringservice, ein Schneider zum Zug kommt. Es ist also für die ganze Wirtschaft von Vorteil.
Im Prinzip ja. Jeder Euro, der in einen Film investiert wird, rechnet sich. Da gibt es mehrere Studien – die eine sagt, jeder Euro kommt dreieinhalbmal zurück, die andere sagt, er kommt sechsmal zurück. Bei den anderen Bundesländern ist es so, dass es eine Grundauflage ist, mindestens 150 Prozent von dem, was man bekommt, in der Gegend auszugeben. Sonst bekommt man das Geld nicht.
Es ist auf alle Fälle nicht nur als Kulturförderung zu sehen – es ist auch wirtschaftlich rentabel?
Ich würde das gar nicht in erster Linie als Kulturförderung sehen. Ich würde sagen, Film ist hoch wirtschaftlich. Film ist immer beides.
Ein Film ist auch ein Imageträger. Wären Filme ein Mittel, das angeschlagene Image wieder aufzuwerten?
Man kann ein positives Image verstärken oder Lust machen, dorthin zu fahren. Ob das jetzt in der Hypo-Alpe-Adria-Kiste etwas ausrichten kann, das wage ich zu bezweifeln.
Ein Film kann aber Kärnten von einem anderen Licht beleuchten?
Das ist richtig. Also Filme, die hier gedreht werden, würden sicher eine positive Auswirkung haben. Deswegen machen das die anderen Bundesländer ja auch. Tirol, Niederösterreich, Wien machen das massiv. Das Burgenland ein wenig – die haben die Winzerkönig-Serie angelockt und gefördert. Salzburg und die Steiermark machen es auch und ich glaube sogar Vorarlberg ab und zu. Wenn ich jetzt recht überlege, ist tatsächlich Kärnten das einzige Bundesland, dass das überhaupt nicht macht.
Sind das nicht eigentlich verlorene Millionen?
Wenn man es so sieht, ja. Ich bin relativ patriotisch, Kärnten ist ja das schönste Bundesland und würde sich eigentlich am besten für Filmdreharbeiten eignen. Also ich hätte „In 3 Tagen bist du tot“ (1 und 2) gerne in Kärnten gedreht. Den ersten Teil am See, den hätten wir auch hier machen können. Kostet 150.000 Euro für das Land. Mehr haben wir nämlich nicht bekommen. Teil zwei mit den Alpen, haben wir in Tirol gemacht. Kosten für das Land: 180.000 Euro. Wir haben sicher doppelt so viel jeweils dort ausgegeben und der Werbewert ist ja auch nicht von schlechten Eltern. Weil, wie kommt man sonst so breit in 40 Länder. Der Film ist ja in allen drei Medien verkauft worden: zuerst Kino, dann Fernsehen und DVD.
Und sie hätten den Film in Kärnten gemacht, wenn es hier eine Förderung geben würde?
Ja.
Sie würden gerne hier arbeiten. Aber unter den gegeben Bedingungen denken sie natürlich unternehmerisch und gehen dorthin, wo es Geld gib?.
Genau. Seen gibt es woanders auch noch, Berge auch. Wenn ich dort das Geld bekomme, gehe ich dorthin. Ist ja klar, das wäre für mich ein Schaden von 150.000 oder 180.000 Euro, wenn ich trotzdem in Kärnten drehen würde. Da sind die Regionen in Wettbewerb miteinander und das kapieren unsere Politiker – Kärntner meine ich jetzt – nicht, dass sie in dem Wettbewerb etwas verlieren.
Helmut Grasser ist beteiligt an folgenden Filmen, die bei KINO aus KÄRNTEN gezeigt werden:
- Wenn der Berg ruft (Drehbuch, Produzent)
- In 3 Tagen bist du tot 2 (Produktion)