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Der Kameramörder

Der Kameramörder

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Ein psychologischer Thriller um eine Vierecksbeziehung, drei verschwundene Kinder und ein Snuff-Video, das nicht nur die Figuren im Film erschauern lässt.

Was die literarische Vorlage von Der Kameramörder betrifft, so liegt es auf der Hand, gewisse thematische Vergleiche zwischen dem Roman von Thomas Glavinic und Michael Powells berühmt-berüchtigtem Film Peeping Tom (1960) anzustellen, in dem (der Österreicher) Karlheinz Böhm einen Frauenmörder spielt, der seine Opfer während der Tat filmt. Auch an Bennys Video (1992) oder Funny Games (1997) unter der Regie von Michael Haneke zu denken, hat jeweils einiges für sich; und in der seltsam vertrackten Ausdrucksweise des Ich-Erzählers bei Glavinic ist ohne weiteres eine ge­konnte Variation des juristischen bzw. polizeilichen Protokollstils zu erkennen, den einst schon Albert Drach (in dem Roman Untersuchung an Mädeln, 1971) literarisch nobilitierte.

Thomas Glavinic nun lässt seine Geschichte just zu Ostern spielen, und das wohl nicht von un­gefähr. Denn die religiöse Bedeutung dieses Festes hinsichtlich der Überwindung des Winters durch den Frühling bzw. des Sieges Christi über den Tod gibt den Rahmen für alles Weitere vor. Es beginnt ganz harmlos damit, dass ein aus Oberösterreich stammendes, spießbürgerlich auftretendes Pärchen um die dreißig in die Steiermark fährt, wo ein befreundetes Ehepaar in dem Dorf Kaibing wohnt. Die vier Leute wollen die Feiertage gemeinsam verbringen. Aller­dings machen sich bald Überdruss und Langeweile breit, weil sie mit einander nicht viel mehr an­zufangen wissen, als Federball oder Karten zu spielen. Da wird im Fernsehen von einem grausamen Verbrechen berichtet: Ein Unbekannter hat, übrigens in unmittelbarer Nähe un­seres Schauplatzes, am Karfreitagmorgen drei Buben zwischen sieben und neun Jahren ent­führt und zwei von ihnen mit perfidesten Drohungen dazu gebracht, auf einen hohen Baum zu klettern und sich in den Tod zu stürzen. Nur dem Ältesten ist es gelungen zu fliehen. Außer­dem hat der Mann sämtliche Vorgänge mit einer Videokamera aufgenommen und offenbar eine Kopie der Filme einem deutschen Privatfernsehsender zugespielt. Dort werden sie – „nach kontroversiellen Diskussionen innerhalb der Redaktion“ – im Nacht­programm schließlich gezeigt und zum Quotenhit gemacht. Wie die Protagonisten dar­auf reagieren und wie der Kriminalfall im Zuge eines furios beschriebenen Polizeieinsatzes schließlich gelöst, wie der Voyeur selber zum Beobachteten wird, stellt den roten Faden der Romanhandlung dar.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass das Buch von vielen als Mediensatire und eine Art Austrian-Psycho-Thriller gelesen worden ist. Audiovisuellen Medien, allen voran das Fernsehen mit seiner um Authentizität und Aktualität buhlenden Technik, wird in diesem Zu­sammenhang eine zentrale Rolle beigemessen, tragen sie doch wesentlich zur Verwischung der Grenzen zwi­schen Fakten und Fiktion, Öffentlichkeit und Privatraum bei, vor allem im Pro­gramm­format des so genannten Reality-TV.

Inwiefern nun in der Verfilmung des Stoffs auf solche Themen eingegangen werden kann, inwiefern etwa auch der Biedersinn des literarischen Erzählers, der die alltägliche Bana­lität des Bösen erkennbar macht, transformiert werden kann in eine filmische Sprache, soll Gegenstand des Gesprächs mit der Filmautorin Agnes Pluch sein.

Bannerfoto: Gerhard Maurer / lend|hauer